Unternehmen auf dem Gebiet schnelldrehender Konsumgüter (FMCG), beispielsweise aus dem Lebensmittel-, Körperpflege- oder Haushaltswarenbereich, automatisieren zunehmend den Materialumschlag und andere Lagerprozesse durch den Einsatz flexibler, anpassungsfähiger und sicherer autonomer mobiler Roboter (AMR). Laut einer aktuellen Umfrage planen 79 Prozent dieser Unternehmen bis 2024 den Einsatz von AMR zur Optimierung der internen Logistik. Denn es hat sich gezeigt, dass AMR mit eingebauten Sensoren, Kameras und intelligenter Software, die effizient und sicher um Mitarbeiter und Anlagen herum navigieren und in Bereichen eingesetzt werden können, die für andere Logistiksysteme nicht zugänglich sind, der gesamten Wertschöpfungskette der FMCG-Produktionslinie zugutekommen.
Bereits beim Einsatz eines einzigen Roboters in einem Arbeitsablauf stellen sich kürzere Durchlaufzeiten, weniger Engpässe und eine verbesserte Sicherheit am Arbeitsplatz ein. Unternehmen, die diese Erfahrung machen, prüfen daher oft, inwiefern sich ihre Erstinvestitionen ausbauen und eventuell ganze Roboterflotten auch an anderen Standorten und in vielen anderen Arbeitsschritten einsetzen lassen.
Wir wollen uns auf drei Arbeitsschritte konzentrieren, die sich für den AMR-Einsatz in Unternehmen der FMCG-Branche anbieten. Einen Überblick erhalten Sie in unserem Video:
Anlieferung und Abtransport von Komponenten in der Produktion
FMCG-Komponenten werden in Zwischenlagern oder anderen Vorbereitungsbereichen gelagert, bevor sie zu den Produktionslinien gebracht werden. Hierfür wurden bisher meist Gabelstapler oder FTS eingesetzt, allerdings bergen diese eine erhebliche Verletzungsgefahr oder benötigen, wie im Falle von FTS, zu viel Platz. Daher möchten viele Unternehmen von der Nutzung dieser Transportmittel weg und suchen stattdessen nach einer sichereren, agileren Lösung für repetitive Transportaufgaben auf den „letzten Metern“. AMR mit integrierten Palettenhebern oder speziell entwickelten Transportwagenlösungen können Material palettenweise oder auch in kleineren Mengen autonom zur Produktionslinie transportieren und sind eine sicherere Alternative zu FTS oder manuell gesteuerten Routenzügen. Dies gilt insbesondere, wenn sie durch stark frequentierte, dynamische Umgebungen fahren müssen, wo während der Fahrt auf Menschen, Warenstapel und andere Geräte geachtet werden muss.
AMR erlauben es Unternehmen nicht nur, ihre Mitarbeiter für Aufgaben mit höherer Wertschöpfung einzusetzen. Vielmehr tragen sie auch dazu bei, den Durchsatz zu erhöhen, indem sie die Umrüstzyklen zwischen der Produktion verschiedener Lagerhaltungseinheiten (SKU) reduzieren.
So haben Unternehmen beispielsweise oft unzählige primäre und sekundäre Verpackungskomponenten für jeden Produktionslauf. Dies ist auf den zunehmenden Individualisierungsbedarf zurückzuführen, der durch die Anforderungen von Verbrauchern und Einzelhändlern sowie durch globale Trends wie Nachhaltigkeit bedingt ist. Die meisten dieser Komponenten werden in der nächsten Charge nicht wiederverwendet und müssen daher für die Produktion neuer SKU ausgetauscht werden. Das Automatisieren des Transports dieser Komponenten, entweder auf Paletten oder in Behältern, war lange Zeit schwierig umzusetzen, da sie in der Regel auf engem Raum und in stark frequentierten Umgebungen gelagert werden. Mit dem Aufkommen agilerer kollaborativer AMR-Lösungen, die rund um die Uhr arbeiten können, macht die FMCG-Branche nun jedoch einen Schritt hin zu einer lange herbeigesehnten Zukunftsvision, der Lights-out-Fertigung, die ganz ohne Menschen auskommt.
Einige besonders innovative Unternehmen der FMCG-Branche setzen bereits ganze AMR-Flotten ein, die aus Robotern mit unterschiedlicher Nutzlast bestehen, um verschiedene Komponenten auf Paletten oder Wagen an die Produktionslinie zu liefern und nicht mehr gebrauchte Komponenten aus früheren Produktionsläufen abzuholen. Bei dieser Anwendung von AMR können gleich mehrere Produktionslinien gleichzeitig profitieren, was zu erheblichen Produktivitätssteigerungen und Kosteneinsparungen führt, da zum einen mehr produziert werden kann und zum anderen weniger menschliche Arbeitsstunden benötigt werden.
Probenahme aus Produktionsläufen:
Rückverfolgbarkeit ist insbesondere in der Lebensmittelbranche ein kritischer Punkt. Die US-amerikanische FDA verlangt beispielsweise von den meisten Lebensmittelproduzenten, dass sie die Lebensmittel und deren Zutaten über alle Schritte der Lieferkette hinweg verfolgen. Auch im Einzelhandel selbst wächst die Bedeutung der Rückverfolgbarkeit immer weiter. Sie wird häufiger vorausgesetzt oder es werden striktere Kriterien verlangt, was zusätzlichen Druck auf die Hersteller ausübt, sowohl bei eigenen Marken als auch bei den Handelsmarken. Aufgrund externer Verbraucher- und Markttrends, vermutlich noch verschärft durch die Coronapandemie, nimmt die Häufigkeit von Probenahmen, mit denen die Produktionsqualität sichergestellt und nachgewiesen werden soll, explosionsartig zu. Um die Arbeitslast zu bewältigen, greifen Technikerteams auf kollaborative Robotertechnologien zurück, z. B. Roboterarme (sogenannte „Cobots“) für Kommissionieraufgaben oder auch AMR. Einige Unternehmen setzen aber auch AMR alleine ein, um Proben zwischen den Produktionslinien und dem jeweiligen Aufbewahrungsort zu transportieren. Oder sie verwenden AMR mit darauf montierten Cobots, um Proben direkt aus der laufenden Produktion zu entnehmen und sie zur Analyse ins Lager oder ins Labor zu bringen.
Integration von AMR in die End-of-Line-Palettierung
Viele Unternehmen im FMCG-Sektor, die AMR in ihren Produktions-/Verpackungshallen einsetzen, erkennen nach und nach immer mehr Vorteile. Daher suchen sie nach Möglichkeiten, wie sie AMR noch anderweitig sinnvoll einsetzen können. Dabei rücken zwangsläufig Palettenanwendungen in den Blick, die verschiedenste Aufgaben abdecken, von der Anlieferung von Komponenten bis zum Abtransport von Fertigwaren vom Ende der Produktionslinie ins Lager.
Wenig Platz und Störungen durch Personen sind am Palettierer jedoch weiterhin problematisch. Um dieses Problem zu lösen, setzen einige Unternehmen fahrerlose Transportsysteme (FTS) ein. Das können Systeme sein, die sich entlang eines festgelegten Weges mithilfe einer festen Infrastruktur, wie Magnetstreifen, bewegen oder in jüngerer Zeit auch Lösungen mit Lasernavigation, die jedoch ebenfalls einen fest zugewiesenen Pfad benötigen. Beide Fälle erfordern erhebliche Investitionen zur Einrichtung und Änderung der Infrastruktur.
AMR mit Open-Source-Funktionen sind eine ideale Alternative, da sie sich leicht in moderne Palettiersysteme integrieren lassen. AMR können in diesem Arbeitsschritt erhebliche Einsparungen gegenüber FTS bewirken. Die Roboter sind einerseits schon an sich kostengünstiger, benötigen andererseits aber auch keine in den Hallenboden eingelassene Infrastruktur und können daher schnell und einfach programmiert und eingesetzt werden. So integrieren Unternehmen nicht nur immer häufiger AMR in ihre bestehenden Palettieranlagen, sondern arbeiten auch mit Herstellern von Palettiersystemen zusammen, sodass schlüsselfertige Lösungen zur Verfügung stehen. Viele Palettier- und Materialtransportunternehmen sehen AMR als „Game Changer“ für ihr Geschäft und planen, ihre Fördersysteme für den Palettentransfer durch AMR zu ersetzen. Dieser Trend bei anderen Akteuren im Ökosystem wird die Verbreitung von AMR in der FMCG- und anderen Branchen voraussichtlich weiter beschleunigen.
Es ist zu erwarten, dass immer mehr Unternehmen in der FMCG- und insbesondere der Lebensmittelbranche den Einsatz von AMR für diese drei Arbeitsschritte forcieren und auf weitere Arbeitsschritte am gleichen und an weiteren Standorten ausweiten werden. Denn sie haben den enormen Mehrwert erkannt, den autonome mobile Roboter für ihre ganze Produktion leisten können.